In meinem Leben habe ich bereits 2 Mal die Diagnose Zöliakie bekommen. Einmal waren es allerdings meine Eltern, die dankbar waren zu wissen, was ihre 1-jährige Tochter so krank machte. Früher war das Wissen der Mediziner allerdings noch nicht so umfangreich wie heutzutage. Da man davon ausging, dass sich die Krankheit wieder "auswachsen" könnte, ernährte ich mich viele Jahre lang falsch und bekam mit Mitte 20, mitten im Psychologiestudium, erneut die Diagnose Zöliakie. Diesmal war ich es, die sich mit den neuen Bedingungen anfreunden musste.
Dieser Prozess hat aus meiner Sicht heute einige Jahre gedauert. Verschiedene Komponenten haben dazu geführt, dass ich nun rückblickend sagen kann, dass ich für mich so manche individuellen Aufgaben schaffen musste, die für eine gesundheitsförderliche Annahme der Krankheit wichtig waren. Seit dem ich mit dem Resilienzkonzept arbeite, sehe ich darin eine gute Anleitung für diesen Prozess.
Ich möchte anderen helfen, diesen Weg mit Begleitung etwas einfacher zu gehen und daher richte ich mein Coaching-Angebot ganz speziell an die Gruppe der Menschen mit Zöliakie.
Mit all diesen Veränderungen muss kein Zöli alleine klar kommen.
Es gibt mittlerweile eine große Gruppe von gut vernetzten Mitbetroffenen und viele Tipps über das Lösen all dieser Themen. In Büchern und Zeitschriften, Internet-Foren und Offline-Treffen, Backkursen und bei Ernährungsberater:innen findet jede:r Interessierte hilfreiche Informationen und soziale Unterstützung.
Wenn die Diagnose neu kommt sind allerdings noch nicht alle diese Quellen bekannt und die Flut an Informationen ist einfach sehr groß. Mit der Zeit finden sich Mittel und Wege, sich mit der neuen Lebenssituation zurecht zu finden. Genau dies gelingt dem einen besser und dem anderen weniger.
Welche Faktoren sind es, die es dem einen leicht machen, diesen Lebenswandel zu vollziehen und dem anderen schwerer? Eine Antwort darauf liefert das Resilienzkonstrukt. Es gibt Orientierung für alle, die noch auf dem Weg der Krankheitsbewältigung sind, mit dem Ziel, die Krankheit so ins Leben zu integrieren, dass sie sich wieder zufrieden und wohl fühlen.
Bittet man 3 Resilienztrainer, die Resilienzfaktoren zu benennen mit denen sie arbeiten, bekommt man 3 unterschiedliche Antworten. Ich stütze mich auf die Resilienzfaktoren (auch Schutzfaktoren genannt), auf die sich das Leibnitz-Institut für Resilienzforschung (LiR) nach akutellem Forschungsstand konzentriert. Und von diesen Faktoren finden Sie 6 im Modell abgebildet. Unter den 6 Faktoren sind die Faktoren, die vom LiR als besonders wichtig erachtet werden und gleichzeitig habe ich die gewählt, die besonders gut trainierbar sind.
Man fand diese Faktoren heraus und bestätigte sie über wissenschaftliche Forschungsmethoden, indem man Gemeinsamkeiten unter den Menschen fand, die Krisen erlebt hatten,
aber dennoch gesund geblieben und nicht krank geworden sind.
Unter diesen Menschen, denen man eine hohe Resilienz zuspricht, fiel auf, dass sie die unten aufgeführen Faktoren besonders deutlich ausgeprägt hatten. Viele dieser Faktoren kann man auch die persönliche Haltung nennen. Es ist eine Einstellung, mit der man dem eigenen Leben begegnet und die Dinge, die passieren bewertet. Diese Haltung, die zu einer Einstellung führt, bestimmt letztendlich, wie wir uns verhalten. Und unsere Gedanken und unser Verhalten können uns das Leben leicht oder schwer machen. Gut also, dass man sowohl Gedanken, als auch Verhalten verändern kann.
Nutzt man diese Erkenntnis für den Umgang mit dem einschneidenden Erlebnis an einer Zöliakie zu erkranken, kann man die hier angewendeten Resilienzfaktoren folgendermaßen auf die Anpassung an das Leben mit Zöliakie übertragen:
Zielorientierung / Vision:
Wie möchte ich mit meiner Zöliakie umgehen? Wenn ich mich gut auf die neue Situation eingestellt habe, was werde ich dann können, was ich jetzt noch lernen möchte? Welches sind die nächsten Schritte? Auf welchen Bereich der Anpassung möchte ich mich als erstes konzentrieren? Geht es um das sichere Einkaufen oder geht es um das Backen lernen oder geht es um meinen Ärger, wenn die Kita meines Kindes nicht die notwendige Vorsicht an den Tag legt?
Selbstwirksamkeit:
Auf dem Weg zu meinem Ziel: Was kann ich
tun, um mein Ziel zu erreichen? Was sind meine Stärken und wie kann ich diese nutzen, um mich gut durch diese Zeit zu bringen? Habe ich ein gutes Durchhaltevermögen und starte mit meinen ersten Backversuchen? Oder bin ich immer gerne auswärts essen gegangen und mache mich daher auf die Suche nach den Restaurants mit sicheren Optionen?
Realistischer Optimismus:
Die Zukunft ist für uns alle ungewiss. Wir können nicht wissen, was (genau) in der Zukunft passiert. In den Erwartungen, die wir gerade in Bezug auf die Unsicherheiten in der Zukunft haben zeigt sich, ob wir eher optimistisch oder pessimistisch bewerten. Ein realistischer Optimist rechnet mit einem guten Ausgang, ist aber auch nicht frustriert, wenn mal etwas nicht optimal funktioniert. Wenn ich mir mein selbstgestecktes Ziel anschaue, welches Ergebnis erwarte ich? Wird alles zu 100% glatt laufen, oder geht natürlich alles wieder schief? Mit welchen Stolpersteinen kann ich rechnen, wenn ich auf diese Party heute Abend gehe? Wie sähe ein richtig gutes Ergebnis aus, wenn das Gespräch mit der Kitaleitung / oder Kantinenchefin gut verläuft? Was kann ich dafür tun, dass diese Situationen gut ausgehen?
Soziale Unterstützung:
Hier haben wir es mit einem sehr wichtigen Resilienzfaktor zu tun. Die Verbindung mit nur einer Person, der ich mich anvertrauen kann, die mich schätzt und mich unterstützt wirkt Wunder. Wer in meinem Netzwerk kann mir bei meinen Herausforderungen helfen? Mit wem probiere ich Restaurants aus, weil die Person nicht so schnell frustriert ist und mich auch mal motivieren kann, weiter zu fragen oder die nächste Option zu suchen? Neben wen setze ich mich bewusst beim nächsten Familientreffen, um keine provokanten Sprüche aushalten zu müssen? Wo finde ich andere Zölis, um mich über meine Themen auszutauschen?
Selbstempathie:
Es gibt unzählige Situationen, in denen man plötzlich wütend, traurig,
enttäuscht oder auch positiv überrascht und glücklich ist. Allen gemeinsam ist, dass die Gefühle uns den Weg zu unseren Bedürfnissen zeigen. Denn die Emotionen sind immer das Ergebnis von erfüllten oder nicht erfüllten Bedürfnissen. Ich bin sauer, weil ich auf der Hochzeit des guten Freundes mein eigenes Tupper mitbringen muss. Warum? Geht es um das Bedürfnis dazu zu gehören? Oder geht es um das Bedürfnis einfach mal nicht organisieren zu müssen und sich zu entspannen? Oder ist mein Bedürfnis nach Wertschätzung nicht erfüllt, weil der Freund doch um meine Schwierigkeiten weiß, aber bei der Planung nicht an Optionen für mich gedacht hat?
Ist man mit seinen eigenen Gefühlen verbunden und erkennt seine Bedürfnisse, dann findet man Wege diese zu beachten und sie in der Situation oder über andere Strategien zu erfüllen.
Ursachenzuschreibung / Kausalattribution:
Schaut man beim realisitischen Optimismus in die Zukunft, dann ist die Kausalattribution das Gegenstück der Vergangenheit. Wie erkläre ich mir Situationen, die ich als negativ erlebt habe? Lag die Ursache bei mir oder bei anderen? Hatte ich Einfluss auf das Geschehen?
Ich hatte einen Glutenunfall und jetzt geht es mir schlecht. Warum ist mir das (schon wieder) passiert? Lag es an der Unachtsamkeit meines:r Partners:in oder war ich es, die/der einfach zu unaufmerksam beim Einkaufen war? Mache ich mich selbst runter oder sehe ich die Ursache bei anderen, wie z.B. dem Koch, der einmal unachtsam war. Hatte ich vielleicht einfach Pech?
Eine gesundheitsdienliche Ursachenzuschreibung wirkt sich positiv auf das Gefühlsleben aus. Und das tut sie, wenn man positive Ausgänge auf seinen eigenen Beitrag zurückführt und bei negativen Ausgängen die Gründe eher in externen Faktoren sucht, die außerhalb der eigenen Kontrolle liegen. Eine wenig hilfreiche Ursachenzuschreibung zeigt sich vor allem in Schuld- und Schamgefühlen. Diese beiden Begleiter helfen überhaupt nicht, wenn man in einer schwierigen Lage steckt und etwas lernen will.
Die Beschäftigung mit der persönlichen Art der Bewertung leistet damit einen wichtigen Beitrag für die eigene Fehlertoleranz, Selbstliebe und damit der Motivation sich weiter mit der eigenen Zöliakie anzufreunden.